Kardinal Reinhard Marx ist seit zehn Jahren Bischof in München. Gegenüber dem BR äußerte er sich auch zu aktuellen Themen der Kirche wie den Debatten um das Vaterunser und um Segnungen für Homosexuelle.
In der Frage, ob auch Homosexuelle den Segen der Kirche bekommen sollten, plädiert Kardinal Reinhard Marx dafür, die Bedeutung des Seelsorgers mehr in den Vordergrund zu stellen. Neue Lebensumstände und neue Erkenntnisse stellten die Kirche vor Herausforderungen, sagte der Erzbischof von München und Freising am Samstag im “Interview der Woche” auf B5 aktuell. Priester müssten die Situation der einzelnen Menschen ernstnehmen und sie seelsorgerlich begleiten. “Da muss man auch ermutigen dazu, dass die Priester und Seelsorger den Menschen in den konkreten Situationen auch einen Zuspruch geben.” Er sehe “da eigentlich keine Probleme”, so Marx.
Ein generelles und weltweites “Ja” sieht Marx eigenen Worten zufolge nicht, da es sich um konkrete Einzelfälle handele. Grundsätzlich sei eine Segnung aber möglich. Wörtlich sagte er: “Es gibt Dinge, die lassen sich nicht regeln.” Nur weil es keine Regelung gebe, heiße das nicht, dass in den Fällen seelsorgerlich nichts geschehe, sagte der Kardinal. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode hatte zuletzt eine Diskussion innerhalb der katholischen Kirche darüber gefordert, ob Pfarrer künftig gleichgeschlechtliche Paare segnen sollten.
Marx nennt Diskussion um Vaterunser-Bitte “sehr gut”
Vor zehn Jahren, am 2. Februar 2008, wurde Marx in das Amt des Erzbischofs von München und Freising eingeführt. Aus diesem Anlass sendet der Bayerische Rundfunk mehrere Interviews. Weiter äußerte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz bei B5 aktuell den Wunsch, dass Deutschland so schnell wie möglich eine neue Bundesregierung bekommt. Eine Demokratie brauche eine Regierung. Der Grundgedanke einer Demokratie sei für ihn, dass alle eine Chance bekämen, so Marx. Dazu gehörten auch jene, die neu in Deutschland seien. Arme und Schwache bräuchten Unterstützung, ebenso Langzeitarbeitslose und kinderreiche Familien. All dies sei auch mit dem Begriff “soziale Marktwirtschaft” verbunden. Zwar könne die Politik nicht alle Probleme lösen, aber das Leitmotiv für eine neue Regierung könnte dennoch “Chancen für alle” lauten.
In der Radiosendung “Zum Sonntag” auf Bayern 2 begrüßt der Münchner Kardinal die aktuelle Diskussion um die Vaterunser-Bitte “Führe uns nicht in Versuchung”. Er bezeichnete es als “sehr gut, dass wir über eine zentrale Frage unseres christlichen Betens so ernsthaft reden”. In der Diskussion um die deutsche Übersetzung der Vaterunser-Bitte hatte die Deutsche Bischofskonferenz sich Ende Januar gegen eine Änderung ausgesprochen.
Das Vaterunser ist nach den Worten Marx’ fester Bestandteil der christlichen Kultur. Doch Sprache und Verständnis änderten sich im Laufe der Zeit. Das sei die Sorge, die Papst Franziskus beschäftige: “Verstehen wir diese Bitte noch so, dass wir dadurch nicht den falschen Eindruck gewinnen, Gott selbst wäre böse und würde uns Menschen erproben und zum Spielball machen?”
In der betreffenden Bitte gehe es um die “Erfahrung der Fremdheit Gottes”, erläuterte Marx. Zwar gehöre “alles, was Menschen erleben”, zur umfassenden Wirklichkeit Gottes, auch “Stunden der Angst, der Dunkelheit und der Nacht”. Dennoch zweifelten die Menschen und hätten das Gefühl, Gott sei ihnen fern. Auch in einer solchen Situation der Angst dürften die Menschen zu Gott beten und etwa sagen: “Lass uns nicht hängen, wenn wir nur noch Finsternis sehen”, so der Kardinal. (luk/KNA)