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| Foto: Katharina Ganz | 
Ordensschwestern leisten einen Dienst an der Kirche,  aber sie sind keine Bediensteten. Die Generaloberin der Oberzeller  Franziskanerinnen, Sr. Katharina Ganz, öffnet den Vorhang vor dem Aufbegehren der Kirchendienerinnen.
Im März erregte ein Beitrag katholischer Ordensfrauen Aufsehen:  Ausgerechnet im Osservatore Romano, dem offiziellen Mitteilungsblatt des  Vatikan, beschwerten sich Ordensschwestern über lange Arbeitszeiten,  schlechte Bezahlung und vor allem fehlende Wertschätzung, wenn sie in  Haushalten von Klerikern angestellt sind.[1] „Der Klerikalismus tötet die Kirche“, resümierte eine der betroffenen Schwestern prägnant.
Der Klerikalismus tötet die Kirche.
Bei der Audienz für die Internationale Vereinigung von  Generaloberinnen (UISG) am 12. Mai 2016 bezeichnete Papst Franziskus die  Rolle der Frau in der Kirche als „Recht einer Getauften mit den  Charismen und Gaben, die der Geist geschenkt hat“.[2] Deutlich wandte er sich gegen den Klerikalismus, bemerkte aber auch,  dass dieser nur funktioniert, wenn Laien – Frauen wie Männer – wie der  andere Part beim Tango mittanzen. Der Papst ermutigte die  Ordensschwestern, Grenzen zu ziehen: „Und wenn man euch Oberinnen um  etwas bittet, das kein Dienst, sondern vielmehr eine Tätigkeit als  Bedienstete ist, dann seid mutig und sagt »nein«. (…) Denn wenn man  will, dass eine geweihte Frau als Bedienstete tätig ist, dann werden das  Leben und die Würde dieser Frau abgewertet. Ihre Berufung ist der  Dienst: der Dienst an der Kirche, wo auch immer sie ist. Aber keine  Tätigkeit als Bedienstete!“[3]
Aufforderung des Papstes: sagt »nein«!
Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Denn die patriarchalen  Strukturen der Kirche sorgen für ein Machtgefälle und für eine  anhaltende Geschlechterhierarchie. Dass es dabei zu Formen der  Diskriminierung und des Machtmissbrauchs kommt, ist nicht verwunderlich.[4] Dabei ist das Phänomen keineswegs neu. Antonia Werr (1813-68), die  Gründerin der Oberzeller Franziskanerinnen, beschwerte sich in einem  Brief vom 22. Februar 1858 über die Erwartung des Klerus, dass ihre  Schwestern zu servilem Dienst verfügbar sein sollten: „Der Herr Bischof  aß kürzlich bei Herrn Pf[arrer] v. Zell zu Mittag worüber dieser auch  ganz entzückt war; eine unserer Schwestern verlangte er, um in der Küche  zu helfen, ich that es ungern, doch weil es der Pf. war, wollte ich es  nicht abschlagen; denn ich habe keine Küchenmägde zu Schwestern, die man  ausleiht, wenn irgend wo Dinner ist.“[5] Freilich liegt ein Teil der Verantwortung bei den Ordensfrauen selbst.  Auch die von Antonia Werr errichteten klösterlichen Strukturen beruhten  auf striktem Gehorsam, widerspruchsloser Dienstbereitschaft, ständiger  Verfügbarkeit und Unterwerfung unter die kirchliche Hierarchie.[6]
Ich habe keine Küchenmägde zu Schwestern, die man ausleiht, wenn irgend wo Dinner ist.
Noch in nachkonziliaren Ratgebern wurde das Gelübde der  Jungfräulichkeit mit der Kreuzesnachfolge begründet, aus der „Freude,  Freiheit und Verfügbarkeit“ entsprängen.[7] Neben der Überbetonung der Kreuzestheologie trug nicht selten auch die  Mariologie dazu bei, dass die Dienstbereitschaft bei Ordensfrauen  bisweilen masochistische Züge bis hin zur völligen Selbstaufgabe annahm.[8] Aufgrund der Zulassungsbedingungen zum Weiheamt sind es bis heute  ausschließlich Männer, die die tägliche Eucharistiefeier in  Nonnenklöstern und Schwesternkonventen halten und dabei das Evangelium  auslegen, bei der Beichte seelsorglichen Zuspruch erteilen und im Rahmen  von Exerzitien Impulse für das spirituelle Leben geben. Welche  Auswirkungen diese asymmetrischen Geschlechterverhältnisse auf das  Selbstverständnis von Ordensfrauen haben, ist wissenschaftlich wenig  erforscht.
Aus der Kreuzesnachfolge entsprängen ‚Freude, Freiheit und Verfügbarkeit‘.
„Orden – Macht – Politik“ war ein Werkstattgespräch überschrieben,  das ich am 12. Mai 2018 zusammen mit Pater Martin Maier SJ und Schwester  Anna Schenck CJ beim Katholikentag in Münster anbot. Rund 60  Interessierte – darunter erstaunlich viele Ordensfrauen – waren  gekommen. Als ich die Meinung vertrat, dass es neben dem  gesellschaftspolitischen Engagement der Orden und Kongregationen auch  Anstrengungen braucht, um die einseitige Abhängigkeit der Ordensfrauen  von geweihten Männern im Bereich der Seelsorge und Liturgie zu  überwinden, brandete heftiger Applaus auf. Das Thema scheint also  brisant. Innerkirchlichen Frieden wird es dauerhaft nur geben, wenn  (Ordens-)Frauen über das ihnen qua Jungfräulichkeit oder Mutterschaft  zuerkannte „marianische Prinzip“ auch zugestanden wird, am „petrinischen  Prinzip“ Anteil zu haben[9] – oder, wenn Maria die gesamte Kirche repräsentiert, „kann und darf  Kirche sich nicht vorrangig als Institution (…) oder gar als  klerikal-hierarchischer Machtapparat (…) repräsentieren.“[10]
Die einseitige Abhängigkeit der Ordensfrauen von geweihten Männern im Bereich der Seelsorge und Liturgie zu überwinden.
Das Magnifikat Marias ist und bleibt eine zeitlos aktuelle  Aufforderung, die Macht der Mächtigen zu hinterfragen und am Reich  Gottes zu arbeiten. Bei aller eschatologischen Vollendung wird dieses  Reich Gottes ohne Geschlechtergerechtigkeit kaum Gestalt annehmen können  auf Erden.
Bild und Text: Katharina Ganz OSF, Dr. theol., Dipl. Sozialpäd.  (FH), seit 2013 Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen.  Dissertation: „ … da ich aber als Frauenzimmer in der katholischen  Kirche keine Stimme habe und folglich so viel als todt bin …“.  Kreativität aus Vulnerabilität am Beispiel der Ordensgründerin Antonia  Werr (1813 – 1868), Würzburg 2016.
[1]  http://www.osservatoreromano.va/de/news/die-fast-unentgeltliche-arbeit-der-ordensfrauen;  vgl. den Kommentar von Thomas Jansen auf kath.de: http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/wenn-ordensfrauen-wie-aschenputtel-behandelt-werden.
[4] Vgl. Bucher, Rainer: Klerikalismus als pastorale Handlungsform. Einige  Analysen an der Schnittstelle von Kirchengeschichte und  Pastoraltheologie, in: Sohn-Krohnthaler, Michaela; Höfer, Rudolf K.  (Hg.): Laien gestalten Kirche (= Theologie im kulturellen Dialog 18),  Innsbruck 2009, 155–175.
[6] Archiv Kloster Oberzell (AKO), Werr, Antonia: Regeln und Hausordnung  der Dienerinnen der heiligen Kindheit Jesu, Oberzell 1857–1866.  Beispielhaft für die Erforschung des Mentalitätswandels in deutschen  Frauengemeinschaften verweise ich auf: Gläsel, Kirsten: Zwischen  Seelenheil und Menschenwürde. Wandlungsprozesse weiblicher katholischer  Ordensgemeinschaften in Deutschland. Die Schwestern vom Guten Hirten  (1945–1985), Münster 2013.
[7] Pronzato, Alessandro: Die Ordensfrau nach dem Konzil. Hilfen zur Betrachtung. Frankfurt a. Main (1968).
[8] Vgl. die instruktive Studie von Kreutzer, Ansgar: Kenopraxis. Eine  handlungstheoretische Erschließung der Kenosis-Christologie, 2011.
[9] Anuth, Bernhard Sven: Gottes Plan für Mann und Frau. Beobachtungen zur  lehramtlichen Geschlechteranthropologie, in: Eckholt, Margit (Hg.),  Gender studieren. Lernprozess für Theologie und Kirche. 2. Aufl. 2017,  171-188.
[10] Greshake, Gisbert: Maria-Ecclesia. Perspektiven einer marianisch  grundierten Theologie und Kirchenpraxis. Regensburg 2014, hier: 584.
